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Die Kunst der Schwarzweißfotografie |
Sehen in Graustufen |
Wenn man gute Schwarzweißaufnahmen machen will, dann muß man lernen,
in Grautönen zu sehen Da wir an das Farbensehen gewöhnt sind, brauchen
wir schon etwas Übung und vor allem anfangs Selbstdisziplin, wenn wir die
Farben ignorieren wollen.
Die heutigen Schwarzweißfilme sind fast alle panchromatisch. Das bedeutet,
daß sie ganz ähnlich auf Farben reagieren wie das Auge und der
Belichtungsmesser, also Farben von gleicher Helligkeit auch in gleichen
Graustufen wiedergeben. Um sich diese Zusammenhänge zu verdeutlichen,
können Sie Belichtungsmessungen an einer Reihe von Gegenständen in
leuchtenden Farben vornehmen. |
Immer wenn der Belichtungsmesser anzeigt,
daß zwei verschiedene Gegenstände die gleiche Belichtung erfordern, werden
diese auch praktisch im gleichen Grauton auf dem Film festgehalten, auch
wenn sie unterschiedliche Farben haben.
Wenn Sie bisher vor allem farbig fotografiert haben, müssen Sie sich bei
der Motivsuche für Schwarzweißaufnahmen umstellen. Wenn Sie nicht in der
Lage sind, die Farben Ihrer Umgebung in Schwarzweiß umzudenken, dann
werden Ihnen viele hervorragende Schwarzweißmotive entgehen und andererseits
Bilder, die Sie machen, enttäuschend ausfallen. Ein Motiv, dessen Farben
nicht zusammenpassen oder die Bildgestaltung stören, kann in Schwarzweiß
oft ein geschlossenes grafisches oder subtil stimmungsvolles Bild ergeben.
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Gestalten mit Tonwerten |
Der Schlüssel zur erfolgreichen Gestaltung eines Schwarzweißbildes liegt
darin, daß man die Beziehungen zwischen Schwarz, Weiß und den verschiedenen
Grautönen des Motivs richtig einschätzt. Diese erst sorgen für Kontraste
innerhalb des Bildfeldes. Wenn Sie die einzelnen Faktoren nicht genügend
berücksichtigen, riskieren Sie, daß bestimmte Teile des Motivs
spannungslos ineinander übergehen, so daß eine unklare Komposition entsteht.
Sie können zwar die Wiedergabe der Tonwerte beim Vergrößern beeinflussen,
doch ist dies in keinem Fall ein Ersatz für eine sorgfältige Bildgestaltung
schon bei der Aufnahme. Bevor Sie auf den Auslöser drücken, sollten Sie
sich überzeugen, Daß sich alles deutlich vom Hintergrund abhebt. |
So kann
ein Baum mit buntem Herbstlaub vor einem Wiesenhang ein gutes Motiv für
ein Farbfoto liefern, in Schwarzweiß dagegen langweilig wirken, weil die
Tonwerte sich zu wenig unterscheiden. Manchmal werden Sie allerdings bewußt
mit einem begrenzten Tonwertumfang arbeiten, da in einem Farfoto die feinen
Abstufungen oft verloren gehen. Die Tonwerte eines Schwarzweißbildes sind
nicht nur von der Helligkeit der Körperfarben abhängig, sondern auch von
der Beleuchtung. Hartes, gerichtetes Licht von einem Studiospotlight oder
der tiefstehenden Nachmittagssonne erzeugt schwarze Schatten und helle
Spitzlichter; ungerichtete, gleichmäßige Beleuchtung reduziert dagegen den
Tonwertumfang eines Bildes.
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Licht und Schatten |
Die meisten Schwarzweißfilme haben Belichtungsspielraum von oft bis zu acht
Blendenstufen. Bei geringempfindlichen Filmen ist der Belichtungsspielraum
kleiner, doch auch hier wirken sich Belichtungsfehler nicht so drastisch
aus wie bei Aufnahmen auf Farbdiafilm. Dieser große Belichtungsspielraum
ergibt sich aus den Korrekturmöglichkeiten beim Entwickeln und Vergrößern.
Wurde der Film überbelichtet, dann werden die Negative zu dunkel, aber
durch längeres Belichten beim Vergrößern können Sie trotzdem annehmbare
Positive erhalten. Bei Unterbelichtung ist hingegen nicht so viel zu machen,
weil die Schattenpartien nur sehr wenig oder gar keine Zeichnung aufweisen;
das läßt sich nur durch hartes bis extrahartes Vergrößerungspapier
einigermaßen ausgleichen. |
Dennoch ist korrekte Beleuchtung auch bei
Schwarzweißaufnahmen wichtig, weil der Film nur einen begrenzten
Kontrastumfang bewältigen kann. Die Belichtung ist besonders kritisch, wenn
das Objekt einen sehr großen Helligkeitsumfang aufweist, wie er
beispielsweise bei Scheinwerferlicht auf einer Bühne der Fall sein kann.
Auch wenn beim Vergrößern gewisse Korrekturen vorgenommen werden können,
muß in den Schatten oder den Spitzlichtern auf Zeichnung verzichtet werden.
Wenn der Helligkeitsumfang gering ist, wie bei einer Außenaufnahme bei
bedecktem Himmel, ist die Belichtung weniger kritisch. Durch
Belichtungsfehler wird das Negativ zwar dunkler oder heller, aber weder
Spitzlichter noch Schatten liegen dann außerhalb des Kontrastumfangs des
Filmmaterials. |
Fotografisch sehen
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Um gute Fotos zu machen, braucht man einen sicheren Blick für lohnende
Motive und wirkungsvollen Bildaufbau, ohne den auch eine teure Kamera und
ein ganzes Sortiment von Hochleistungs-Objektiven nichts nützen.
Entscheidend für den Erfolg ist die Fähigkeit, das, was man sieht, in ein
wirkungsvolles fotografisches Bild umzusetzen. Diese Fähigkeit erwirbt man
dadurch, daß man sich ständig darin übt, Motive zu sehen, die eindrucksvoll
wirken, wenn sie aus der komplexen, verworrenen und ständig sich wandelnden
Welt herausgegriffen und zum Gegenstand eines durch seinen Rahmen begrenzten
Bildes gemacht werden. |
Erfahrene Fotografen haben vor allem deshalb einen
guten Blick für interessante Bildmotive, weil sie oft durch den Sucher
ihrer Kamera schauen. Das können auch Sie tun. Blicken Sie möglichst oft
durch den Sucher, auch wenn Sie eigentlich kein Bild machen wollen.
Konzentrieren Sie sich darauf, was im Sucherfeld zu sehen ist und wie die
Formen und Farben zusammenwirken. Sie können diese Art des Sehens sogar
üben, wenn Sie keine Kamera dabei haben; halten Sie einfach beide Hände so
vor sich hin, daß die Daumen und Zeigefinger einen rechteckigen Rahmen
bilden. Kreatives, künstlerisches Sehen ist ein wesentlicher Bestandteil
der Fotografie.
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Die Motivwahl |
Der erste kreative Schritt auf dem Weg zu einem Foto ist die Wahl des
Motivs. Das mag selbstverständlich klingen, aber tatsächlich bietet jede
Situation eine Fülle verschiedener Motive. Im allgemeinen sollten Sie nach
Motiven Ausschau halten, die einen inhaltlichen Schwerpunkt aufweisen.
Je mehr Elemente ein Motiv enthält um so wichtiger ist es, daß Sie beim
Druck auf den Auslöser eine genaue Vorstellung davon haben, was das Bild
zeigen soll. Wenn Sie im Sucher zu viele Details sehen, die nichts zur
Bildaussage beitragen, wird die Aufnahme wahrscheinlich unruhig wirken und
bewußte Gestaltung vermissen lassen. Wie wir bereits sahen, ist die Kamera
im Gegensatz zum Auge nicht fähig, sich auf die interessanten Gegenstände
zu konzentrieren und alles übrige unbeachtet zu lassen. |
Alle im Sucher
sichtbaren Elemente erscheinen hinterher auf der fertigen Aufnahme gleich
wichtig, wenn es dem Fotografen nicht gelingt, das Bild so zu gestalten,
daß ein bestimmter Teil oder Aspekt des Motivs hervorgehoben wird.
Bei unruhigen Motiven - beispielsweise einem übervölkerten Strand - ist
sorgfältige Bildgestaltung erforderlich, damit die Aufnahme nicht
verwirrend wirkt, obwohl andererseits eine Panoramaaufnahme gerade durch
die Fülle der Einzelheiten interessant sein kann. Drei Möglichkeiten, den
Bildaufbau zu vereinfachen, sind das Herangehen ans Motiv, die Aufnahme
aus der Vogelperspektive zur Ausschaltung störender Hintergrunddetails und
die Verwendung des Hochformats zur Hervorhebung einer einzelnen Gestalt.
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Der Schwarzweißfilm |
Warum sollte man heute noch schwarzweiß fotografieren? Schließlich ist
Schwarzweißfilm nur unwesentlich billiger als Farbfilm, und viele möchten
nicht auf die leuchtenden Farben der Natur verzichten. Aber die
Schwarzweißtechnik hat ihren ganz besonderen Reiz, und es gibt viele
Profis, die ausschließlich oder überwiegend in Schwarzweiß fotografieren.
Schwarzweißfotos wirken oft gerade durch das Fehlen der Farben
eindringlicher und unmittelbarer. Während Farbfotos durch zu viele oder zu
bunte Farben oft unruhig oder überladen wirken, zeichnen sich
Schwarzweißbilder durch grafische Einfachheit aus - Formen,
Oberflächenstrukturen und Stimmungen werden ausschließlich in
Helligkeitswerte umgesetzt. Sie können viel lernen, wenn Sie in
Schwarzweiß fotografieren, weil Sie dabei stärker von der Wirklichkeit
abstrahieren. |
Wenn Sie nicht auf die Farben zu achten brauchen, können Sie
sich besser auf die Beleuchtung und die grafischen Elemente Ihrer Motive
konzentrieren.
Auch in praktischer Hinsicht hat Schwarzweißfilm seine Vorteile.
Die Verarbeitung ist einfach, so daß man ohne großen Aufwand die Filme
selbst entwickeln und die Negative im eigenen Labor vergrößern kann.
Dabei hat man einen sehr großen Spielraum für kreative Eingriffe.
SW-Filme sind immer noch in einem größeren Empfindlichkeitsbereich
erhältlich als Farbfilme. Sehr geringempfindlicher Film (ISO 32/180 oder
darunter) wird für Reproduktionen und andere Aufnahmen verwendet, bei denen
es auf höchste Auflösung ankommt. Sie lassen sich stark vergrößern, ohne
daß das Korn stört. Höchstempfindliche SW-Filme (bis ISO 1250/320) werden
bei sehr schlechtem Licht oder sich schnell bewegenden Objekten eingesetzt.
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