Stolperschwelle macht auf Greueltaten der Nazis in Hockenheim aufmerksam
In Kooperation mit dem jüdischen Arbeitskreis ehren Hockenheimer Schüler die Opfer der Nationalsozialisten.
Vor genau 90 Jahren machte sich die absolute Unmenschlichkeit in Deutschland breit. Damals, im Frühjahr 1933, übernahmen die Nationalsozialisten unter Hitlers Führung die Macht in Deutschland und begannen ihr zerstörerisches Werk. Und dieses zerstörerische Werk, das machten die Schüler des Carl-Friedrich-Gauß-Gymnasiums und der Schule am Kraichbach mit der Verlegung einer Stolperschwelle zum Gedenken an die jüdische Großfamilie Isaak Hockenheimer vor der katholischen Kirche St. Georg deutlich, bedeutete für viele Millionen Menschen Leid und Tod und das in einem unvorstellbaren Ausmaß.
Über sechs Millionen europäische Juden wurden in den zwölf Jahren nationalsozialistischer Diktatur ermordet. Unter ihnen viele Mitglieder der Familie Hockenheimer. Dimensionen, die sämtliche Vorstellungen sprengen und auch bei dieser Veranstaltung zur Stolperschwellenverlegung abstrakt blieben.
Stolperschwelle in Hockenheim: Bedeutung von Frieden, Freiheit und Sicherheit
Gar nicht abstrakt blieb das Schicksal der Familie Hockenheimer mit über 50 Mitgliedern. En Detail arbeiteten die Schüler des Gymnasiums in Kooperation mit dem jüdischen Arbeitskreis Familie Brandenburger die Lebensläufe der Familienmitglieder aus. Es folgten Worte, die immer wieder fassungslos machten. Wie und warum waren hier quälende Fragen, auf die es keine Antwort gibt. Das einzig Sichere, so Oberbürgermeister Marcus Zeitler, sei die Gewissheit, dass es nichts Schlimmeres gebe, als das Vergessen.
Wie hieß es auf einem Plakat einer Schülerin der Schule am Kraichbach: „Es ist geschehen, also kann es wieder geschehen“. Das Erinnern sei immer wichtig, so Zeitler. Doch jetzt, im Kontext eines Krieges in Europa würde jeder Stolperstein und jede Stolperschwelle uns an die Bedeutung von Frieden, Freiheit und Sicherheit mahnen. Krieg sei Leid, immer. „Und am Ende verlieren alle.“
Trotz Flucht nach Marseille: Nazis holten die Familie ein
Nach einem weiteren, wunderbaren Stück des Musik-Leistungskurses des Gauß-Gymnasiums wandte sich Cliff Hockley im Namen seines Vaters Ralph M. Hockley – alias Rudolf Martin Hockenheimer – an die Gäste in der Kirche. Der heute in den USA lebende Ralph Hockley kam 1925 in Karlsruhe zur Welt. Er war acht Jahre alt, als die Nazis die Macht übernahmen.
Seine Eltern entscheiden schon 1935 Deutschland zu verlassen. Der hochgeehrte Veteran des Ersten Weltkriegs ertrug die alltäglichen Beleidigungen nicht. Sie flüchteten vor den Demütigungen und Entrechtung nach Marseille. Aber auch hier holten sie die Nazis ein und die Familie geriet in Not. In Teilen Deportiert ins Konzentrationslager Gurs kamen viele Mitglieder der Großfamilie um. Nur wenigen gelang die Flucht in die USA oder ein anderes sicheres Land. Eine wahrhaft dunkle Zeit in diesem Land.
Unmenschlichkeit nicht vergessen: Stolpersteine als wichtiges Symbol
Dabei freute sich der Mann sichtlich über die vielen jungen Menschen hier. Ein wichtiges Signal, dass die Unmenschlichkeit nicht vergessen und die Zukunft damit ein Stück sicherer sei. Dazu gehört das Wissen, so einer der Schüler des Gauß-Gymnasiums, dass die Welt am Ende nicht von den Bösen bedroht wird, sondern von denen, die das Böse zulassen.
Und genau das ist eine der Botschaften des Stolpersteine-Künstlers Gunter Demnig. Neben dem Erinnern an die Menschen, die hier lebten, vertrieben und ermordet wurden, geht es auch immer um das „Nie wieder“. Und das Fundament dieses „Nie wieder“ ist ohne Frage das Erinnern.
Es stimmt, was der frühere Bundeskanzler 1995 im Bundestag gesagt hat: „Wer die Vergangenheit nicht kennt, kann die Gegenwart nicht verstehen und die Zukunft nicht gestalten“. Angesichts des Wissens der Schüler, erscheint die Zukunft trotz allem nicht allzu düster. Im Gegenteil, es macht Hoffnung.
Die kleine Feier endete mit „Shalom Chaverim“, einem von den Schülern des Leistungskurses Musik selbst und wirklich herrlich arrangierten Stück. Die Stolperschwelle trägt folgende Worte: „Großfamilie Isaak Hockenheimer, seit 1933 gedemütigt, entrechtet, enteignet, verfolgt, geflohen, deportiert und ermordet in Deutschen Konzentrationslager. Mehr als 50 Menschen wurden Opfer.“
Text: Schwetzinger Zeitung
Fotos: Claus Ebner